11.03.2004 - Bundesrat für Niederdeutsch: Offener Brief
 
                PLATTNET-Narichten - 11.03.2004
 
 
Kultusminister: Aus für Niederdeutsch-Professur in Göttingen!
 
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In einem Offenen Brief an den Minister für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen Lutz Stratmann hat der Bundesrat für Niederdeutsch darauf reagiert, dass es an der Universität Göttingen eine Niederdeutsch-Professur zukünftig nicht mehr geben soll: 
 
Offener Brief
Niederdeutsch-Lehrstuhl an der Universität Göttingen
 

Sehr geehrter Herr Minister,

mit Schreiben vom 23. Februar 2004 teilten Sie dem Bundesrat für Niederdeutsch und dem Institut für niederdeutsche Sprache mit, dass an der Göttinger Universität im kommenden Jahr „der Magisterstudiengang ‘Niederdeutsche Sprache und Literatur/Niederdeutsche Philologie’ geschlossen werden“ soll. Uns überrascht und befremdet diese Wortwahl, bezieht sie sich doch auf einen Vorgang, der, ohne Rücksprache zu halten, offenbar schon abgeschlossen ist. Zwei Monate zuvor hatte der Ministerpräsident noch mitgeteilt, dass die Niederdeutsche Philologie aus dem Hochschuloptimierungskonzept herausgenommen worden sei; er gab dabei seiner Hoffnung Ausdruck, das Niederdeutsche könne an der Universität Göttingen erhalten bleiben. Nun aber scheint eine Entscheidung gefällt worden zu sein, die von den Sprechern der Regionalsprache Niederdeutsch so nicht hingenommen werden kann.

Als im Jahr 1999 in Deutschland die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen in Kraft trat, gingen die politischen Vertreter des Niederdeutschen davon aus, dass auch in Niedersachsen zumindest mittelfristig ein Bestandsschutz für das Niederdeutsche an den Universitäten gewährleistet wäre. Das Land hatte in seiner Verpflichtung auch Art. 8, 1, 3, ii aufgenommen: „Im Bereich der Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem solche Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation dieser Sprachen und unbeschadet des Unterrichts der Amtssprache(n) des Staates Möglichkeiten für das Studium dieser Sprachen als Studienfächer an Universitäten und anderen Hochschulen anzubieten“.

Es ist zu betonen, dass hier ausdrücklich vom „Studienfach“ die Rede ist. Mit dem von Ihnen in Aussicht gestellten Modul im Rahmen der Magisterausbildung ist dieser Verpflichtung aber keineswegs Genüge getan. Entscheidend ist die Lehrstuhlbesetzung durch einen Vertreter des Faches Niederdeutsch, der in seinen „offenen“ Lehrveranstaltungen innerhalb der Germanistik auch all diejenigen Studierenden erreicht, die nicht für den speziellen Studiengang eingeschrieben sind. Aus diesem Bereich ist auch in Göttingen die Mehrzahl derjenigen Qualifikationsarbeiten entstanden, die sich mit sprachlichen oder kulturellen Erscheinungen des Niederdeutschen befassen. Genau diese Breitenwirkung, gestützt durch den Aspekt Prüfungsrelevanz, würde nach Ihrer Ankündigung entfallen. Das aber wäre ein substanzieller Verlust.

Ohne Lehrstuhl für Niederdeutsch käme zweifelsohne die Ausbildung des akademischen Nachwuchses für den Bereich der niederdeutschen Philologie zum Erliegen. Gerade in einer Zeit, in welcher der Regionalsprache Niederdeutsch der Status eines schützenswerten Kulturgutes zuerkannt worden ist und sich auch durch diese politische Ermutigung das Image der Sprache verbessert, wäre der geplante Stellenabbau im wissenschaftlichen Kernbereich in höchstem Maße kontraproduktiv. Er würde das Signal aussenden, dass die Verpflichtungen aus der Sprachencharta nicht ernst genommen werden und dass die Landesregierung für die niederdeutsche Sprache keine zukunftsweisenden sprachplanerischen Ziele hat. Wenn schon keine Aufwertung des Faches erfolgt, müsste zumindest der Status Quo – die Minimalausstattung, die zum Erhalt des Faches nötig ist – erhalten bleiben. Da die dafür erforderlichen Kosten vergleichsweise gering sind, dürfte die Streichung des Lehrstuhls schwerlich politisch vermittelbar sein.

Zu betonen ist außerdem, dass der Göttinger Lehrstuhl für Niederdeutsche Philologie nicht allein innerhalb der Hochschule wirkt. So vertritt der jetzige Inhaber die Belange seiner Universität in verschiedenen Gremien und Einrichtungen (wie dem Niedersächsischen Heimatbund oder dem Institut für niederdeutsche Sprache); außerdem wirkt er ausgesprochen fruchtbar in die umliegende ostfälische Kulturlandschaft hinein (Kooperation mit der Universität Magdeburg, Engagement im Ostfälischen Kulturinstitut Helmstedt des Landschaftsverbandes „Deuregio“ usw.). Mit der Streichung der Göttinger Niederdeutsch-Professur würde das Land Niedersachsen einen wichtigen Knotenpunkt im Netzwerk niederdeutscher Kulturarbeit zerstören.

Angesichts der großen Bedeutung, die dem Lehrstuhl in Göttingen als einzigem vollwertig ausgestatteten Lehrstuhl für niederdeutsche Philologie in Deutschland landes-, bundes- und europaweit beizumessen ist, möchte ich Sie hiermit nochmals bitten, die spezifische Kompetenz des Bundesrates für Niederdeutsch und des Instituts für niederdeutsche Sprache als Schaltstellen zwischen Wissenschaft und Praxis in die Gespräche um die Weiterführung des Lehrstuhls in Göttingen einzubeziehen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Reinhard Goltz

(Bundesrat für Niederdeutsch - Der Sprecher

c/o Institut für niederdeutsche Sprache, Schnoor 41-43, 28195 Bremen - ins@ins-bremen.de)

 

 

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