Die Autoren gewähren uns
Einblicke in das damalige dörfliche Leben. Es fällt auf, dass
Lebensumstände, die Heinrich Kahl vom Dorf Duvenstedt in der nördlichen
Nachbarschaft Hamburgs berichtet, sich insgesamt wenig von denen
unterscheiden, die wir von Gerhard Schlüter aus dem Dorf Stolpe in Ostholstein
erfahren. Lebensgewohnheiten, Wohnumstände, familiäre und gesellschaftliche
Strukturen, Lebensgefühl und ländliche Kultur ähneln einander weitgehend. Sie
ruhen auf einer gemeinsamen, verbreiteten
Grundlage.
Die Lektüre lohnt sich für
alle, die in dieser Zeit lebten; denn für sie lebt die Kindheit wieder auf. Aber
auch diejenigen, die in den vierziger und fünfziger Jahren auf dem Lande
aufwuchsen, erkennen vieles wieder, was sie noch in ihrer Kindheit erlebten. Wer
später geboren ist, erhält neue Einblicke in die Lebenswelt der genannten
Epoche. Denn der Leser trifft nicht nur auf die Darstellung alltäglicher
Probleme und Verrichtungen, sondern bekommt auch Eindrücke von den
Vorstellungswelten, Bindungen und Werten der damaligen Zeit in der
Region.
Die Weltbilder, die dem
Leser vermittelt werden, drängen zum Vergleich mit der Welt von heute, in
der die Wertvorstellungen und materiellen Bedingungen sich erheblich
gewandelt haben. Das Leben war damals beschaulicher, die Menschen waren
bescheidener, die materiellen Güter viel knapper. Doch, das zeigt sich deutlich,
die Menschen waren deswegen keineswegs unzufriedener oder gar
unglücklicher. Das macht die Lektüre des Buches für Nachgeborene hoch bedeutsam.
Sie hilft, sich des heutigen Wohlstandes, der oft nicht mehr empfunden wird
oder dessen nötige Einschränkungen als Unglück empfunden werden, wieder bewusst
zu werden. Man wird ein Stück zufriedener.
Die Lektüre der 40
Begebenheiten von Heinrich Kahl und Gerhard Schlüter ist auch lohnend, weil die
Autoren unterschiedliche Betrachtungs- und Erzählweisen haben, die auch von
unterschiedlichen Schulverhältnissen zeugen, in die sie hinein wuchsen:
einerseits von der wenig gegliederten Dorfschule in Ostholstein,
andererseits von der hamburgischen, reformpädagogisch geprägten Schule mit
Jahrgangsklassen. Im übrigen sind beide Autoren auch Zeugen des in den
zwanziger Jahren erstarkten Bildungsstrebens.
Es gefällt, dass die
Erkenntnisse aus den Kindheitserinnerungen von Heinrich Kahl und Gerhard
Schlüter nicht hochtrabend und trocken belehrend doziert werden, sondern
sich aus feinsinniger Darstellung der Begebenheiten von selbst
ergeben.
Die beiden Autoren schrieben
die Erinnerungen in der Gelassenheit eines hohen Alters und nehmen für sich in
Anspruch, Szenen weder geschönt, noch verdüstert geschildert zu haben. Es
sind Szenen, die große und kleine, hohe und niedere Begebenheiten und
Erlebnisse, ja, die letztlich Leben und Tod reflektieren. (Vorwort von
Heinrich Thies)