21.09.2007 - (7110) Wenn Kinder nicht auf Platt antworten
 
              PLATTNET-Nachrichten - 21.09.2007 

 

    

                   

       

 

Wenn Kinder nicht auf Platt antworten

 

Viele Eltern und Erzieherinnen kennen das Problem: Sie sprechen die Kinder tagtäglich auf Plattdeutsch an, doch schon im Kindergartenalter kommen die Antworten auf Hochdeutsch. Die Kinder verstehen zwar alles auf Platt, haben aber durch die Kontakte außerhalb des Elternhauses das Gefühl, dass Plattdeutsch nicht die „richtige“ Sprache für Kinder sei. Inzwischen gibt es Erfahrungen, wie man dies verhindern und Kinder dazu bringen kann, in einem plattdeutschen Umfeld auch auf Plattdeutsch zu antworten.

 

Waltraud Theermann arbeitet im Kindergarten Klecks in Leer als Erzieherin. Im letzten Herbst entschied das Team unter der Leitung von Olga Farr-Wodak, den Kindern die Zweisprachigkeit mit Hochdeutsch und Plattdeutsch anzubieten. Frau Theermann hat Plattdeutsch als Muttersprache, doch es kostete sie zunächst Überwindung, sich vorzustellen, dass sie ihre Arbeit nun in dieser Sprache verrichten sollte.

 

Als die Kinder aus den Herbstferien zurückkamen, war Waltraud verhext. Sie konnte nur noch Plattdeutsch sprechen und verstehen. Kinder gehen gern den Weg des geringsten Aufwandes. So versuchten sie in der Anfangsphase, die plattdeutschen Angebote zu umgehen, und mussten von den Hochdeutsch sprechenden Kolleginnen mit Fingerspitzengefühl zur Platt sprechenden Kollegin zurückgeführt werden. Doch sie bekamen auch schnell heraus, dass die zweite Erzieherin und einige Kinder Plattdeutsch verstanden, und die wurden nun, falls nötig, um Übersetzung gebeten. Sie versuchten auch, Waltraud Hochdeutsch beizubringen, doch bei verhexten Menschen geht das ja nicht, die sind im Zauberbann gefangen.

 

Am Ende des Kindergartenjahres konnten fast alle Kinder Plattdeutsch verstehen und versuchten sich fleißig im Sprechen. Dies ist ein außergewöhnlich schneller Erfolg für einen Kindergarten in einem Hochdeutsch geprägten Umfeld wie dem Leeraner Stadtgebiet. Die konsequente Umsetzung der Methode hat sich gelohnt.

 

In einer Familie, in der mit den Kindern von Anfang an Platt gesprochen wird, lässt sich das Prinzip, nur auf plattdeutsche Äußerungen des Kindes zu reagieren, noch viel leichter umsetzen, denn die Kinder wachsen ganz natürlich in diesen Sprachkontext hinein. Es geht also nur darum, ihnen einen starken Anreiz zum Sprechen zu geben. Kinder wollen vor allem eines: sich verständlich machen, sich mitteilen. Wenn auf Hochdeutsch keine Reaktion kommt, werden sie sofort versuchen, die Eltern oder Großeltern auf Plattdeutsch anzusprechen.

 

Manche mögen dies als gekünstelt empfinden, doch die Methode, mit Kindern nur in der zu erlernenden Zielsprache zu kommunizieren und auf andere Sprachen nicht zu reagieren, ist eine vielerorts übliche und effektive Sprachlernmethode. Sie wird „Immersion“ genannt, ist bisher aber nur unter der Bezeichnung „bilingualer Unterricht“ für Schulkinder bekannt. In Deutschland wissen wenige, dass dies schon im Vorschulalter spielerisch möglich ist und funktioniert.

 

Waltraud Theermann wird verhext bleiben, und neue Kinder werden sie gleich von Anfang an als Plattsprecherin kennen lernen. Sie müssen Platt sprechen, wenn sie etwas von Waltraud wollen, und dabei trainieren sie ihre sprachlichen Fertigkeiten. Das wird ihnen im späteren Leben zugute kommen.

 

(Ostfriesische Landschaft - Plattdütskbüro Sept. 2007- www.ostfriesischelandschaft.de)

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