Wenn
Kinder nicht auf Platt antworten
Viele Eltern und
Erzieherinnen kennen das Problem: Sie sprechen die Kinder tagtäglich auf
Plattdeutsch an, doch schon im Kindergartenalter kommen die Antworten auf
Hochdeutsch. Die Kinder verstehen zwar alles auf Platt, haben aber durch die
Kontakte außerhalb des Elternhauses das Gefühl, dass Plattdeutsch nicht die
„richtige“ Sprache für Kinder sei. Inzwischen gibt es Erfahrungen, wie man dies
verhindern und Kinder dazu bringen kann, in einem plattdeutschen Umfeld auch auf
Plattdeutsch zu antworten.
Waltraud
Theermann arbeitet im Kindergarten Klecks in Leer als Erzieherin. Im letzten
Herbst entschied das Team unter der Leitung von Olga Farr-Wodak, den Kindern die
Zweisprachigkeit mit Hochdeutsch und Plattdeutsch anzubieten. Frau Theermann hat
Plattdeutsch als Muttersprache, doch es kostete sie zunächst Überwindung, sich
vorzustellen, dass sie ihre Arbeit nun in dieser Sprache verrichten
sollte.
Als
die Kinder aus den Herbstferien zurückkamen, war Waltraud verhext. Sie konnte
nur noch Plattdeutsch sprechen und verstehen. Kinder gehen gern den Weg des
geringsten Aufwandes. So versuchten sie in der Anfangsphase, die plattdeutschen
Angebote zu umgehen, und mussten von den Hochdeutsch sprechenden Kolleginnen mit
Fingerspitzengefühl zur Platt sprechenden Kollegin zurückgeführt werden. Doch
sie bekamen auch schnell heraus, dass die zweite Erzieherin und einige Kinder
Plattdeutsch verstanden, und die wurden nun, falls nötig, um Übersetzung
gebeten. Sie versuchten auch, Waltraud Hochdeutsch beizubringen, doch bei
verhexten Menschen geht das ja nicht, die sind im Zauberbann
gefangen.
Am
Ende des Kindergartenjahres konnten fast alle Kinder Plattdeutsch verstehen und
versuchten sich fleißig im Sprechen. Dies ist ein außergewöhnlich schneller
Erfolg für einen Kindergarten in einem Hochdeutsch geprägten Umfeld wie dem
Leeraner Stadtgebiet. Die konsequente Umsetzung der Methode hat sich
gelohnt.
In
einer Familie, in der mit den Kindern von Anfang an Platt gesprochen wird, lässt
sich das Prinzip, nur auf plattdeutsche Äußerungen des Kindes zu reagieren, noch
viel leichter umsetzen, denn die Kinder wachsen ganz natürlich in diesen
Sprachkontext hinein. Es geht also nur darum, ihnen einen starken Anreiz zum
Sprechen zu geben. Kinder wollen vor allem eines: sich verständlich machen, sich
mitteilen. Wenn auf Hochdeutsch keine Reaktion kommt, werden sie sofort
versuchen, die Eltern oder Großeltern auf Plattdeutsch anzusprechen.
Manche
mögen dies als gekünstelt empfinden, doch die Methode, mit Kindern nur in der zu
erlernenden Zielsprache zu kommunizieren und auf andere Sprachen nicht zu
reagieren, ist eine vielerorts übliche und effektive Sprachlernmethode. Sie wird
„Immersion“ genannt, ist bisher aber nur unter der Bezeichnung „bilingualer
Unterricht“ für Schulkinder bekannt. In Deutschland wissen wenige, dass dies
schon im Vorschulalter spielerisch möglich ist und funktioniert.
Waltraud
Theermann wird verhext bleiben, und neue Kinder werden sie gleich von Anfang an
als Plattsprecherin kennen lernen. Sie müssen Platt sprechen, wenn sie etwas von
Waltraud wollen, und dabei trainieren sie ihre sprachlichen Fertigkeiten. Das
wird ihnen im späteren Leben zugute kommen.
(Ostfriesische Landschaft - Plattdütskbüro Sept. 2007- www.ostfriesischelandschaft.de)
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Volker
Holm, Buchenweg 35, D-22926 Ahrensburg, Tel. 49-4102-4739108
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