18.11.2007 - (7140) Europäische Sprachencharta: Niedersachsen mit groben Mängeln
 
              PLATTNET-Nachrichten - 18.11.2007 

 

 

                  

                        

Europäische Sprachencharta: Niedersachsen mit groben Mängeln

Expertenkomitee unzufrieden mit der Behandlung des Niederdeutschen

 

Alle drei Jahre bereist ein Expertenkomitee des Europarates Deutschland, um den Stand der Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen zu überprüfen. In diesem Jahr richteten die Experten besonderes Augenmerk auf das Niederdeutsche in Niedersachsen. Ein Treffen mit Vertretern der Niederdeutsch Sprechenden beim Niedersächsischen Heimatbund in Hannover ergab, dass das Plattdeutsche in Niedersachsen zu wenig gefördert wird, um die Sprache langfristig erhalten zu können.

Das Ziel der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ist der Erhalt von Nicht-Amtssprachen und Minderheitensprachen. In Deutschland ist diese europaweit rechtsverbindliche Sprachenschutzkonvention seit 1999 in Kraft. Unter dem Schutz dieses Rechtstextes sollte sich die Lage des Niederdeutschen in Niedersachsen eigentlich verbessern, doch das Gegenteil ist der Fall.

Als Vertreter der Niederdeutschen Sprechergemeinschaft in Niedersachsen wurden Mitglieder der Fachgruppe Niederdeutsch und Saterfriesisch im Niedersächsischen Heimatbund befragt. So vertraten Cornelia Nath (Ostfriesische Landschaft), Dr. Jutta Engbers, Jürgen Hennings und Heinrich Siefer (Oldenburgische Landschaft) sowie Hans-Hinrich Kahrs (Stader Landschaft) den sprachlich noch sehr regen küstennahen Raum. Für das ostfälische Gebiet, wo das Plattdeutsche schon fast ausgestorben ist, sprach Prof. Dr. Dieter Stellmacher, der langjährige Inhaber des ehemaligen Lehrstuhls für Niederdeutsch an der Universität Göttingen, der 2005 geschlossen wurde.

Die Lage im Bildungsbereich und an den Universitäten bereitete den Plattdeutsch-Vertretern am meisten Sorgen. Zwar will das Land Niedersachsen an der Universität Oldenburg wieder Möglichkeiten für das Studium des Niederdeutschen eröffnen, doch schon jetzt ist klar, dass dabei im Vergleich zu dem, was in Göttingen eingestellt wurde, abgespeckt werden wird.

Geradezu desolat ist der Zustand an den Schulen: keine Verbindlichkeit, kein Sprachenlernkonzept, keine neuen Konzepte für die Lehrerausbildung und -fortbildung, kein Unterstützungssystem für die Lehrkräfte in den Schulen. Die Devise der Landesregierung ist, dass Plattdeutsch in der Schule keine Kosten verursachen darf.

Zahlen, die im Rahmen einer Diplomarbeit in Ostfriesland erhoben wurden, zeigen, dass auch in den Bereichen vorschulische Bildung, Justizbehörden und Verwaltung vom Land aus wenig für die Umsetzung der Sprachencharta getan wird. Den meisten Menschen, die die Regelungen aus der Charta in ihrem Arbeitsalltag umsetzen sollten, ist nicht einmal bekannt, dass es diesen Rechtstext überhaupt gibt. Und wer es weiß, hat davon zu über 80 % nicht durch die Landesregierung oder ihr unterstellte Stellen erfahren.

Im Anschluss an die Anhörung der Sprechergemeinschaft stand eine Befragung von Mitarbeitern der Staatskanzlei und der Ministerien auf dem Programm des Europarat-Expertengremiums, die ebenfalls in den Räumen des Heimatbundes stattfand.

Die Gesamtnote ungenügend ist nicht nur der jetzigen Landesregierung zuzuschreiben. Unter der vorhergehenden Regierung war ebenfalls kein entschlossenes Handeln, wie es die Sprachencharta verlangt, erkennbar. Einer der Experten sprach denn auch von einer „fraktionsübergreifenden Missachtung“ der Rechtsverpflichtung. Dies wird in dem später nachzulesenden Bericht des Komitees sicherlich zum Ausdruck kommen.

(Cornelia Nath - Ostfriesische Landschaft, Plattdütskbüro - www.ostfriesischelandschaft.de)

 

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