Europäische Sprachencharta: Niedersachsen mit groben
Mängeln
Expertenkomitee
unzufrieden mit der Behandlung des Niederdeutschen
Alle
drei Jahre bereist ein Expertenkomitee des Europarates Deutschland, um den Stand
der Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen zu
überprüfen. In diesem Jahr richteten die Experten besonderes Augenmerk auf das
Niederdeutsche in Niedersachsen. Ein Treffen mit Vertretern der Niederdeutsch
Sprechenden beim Niedersächsischen Heimatbund in Hannover ergab, dass das
Plattdeutsche in Niedersachsen zu wenig gefördert wird, um die Sprache
langfristig erhalten zu können.
Das
Ziel der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ist der
Erhalt von Nicht-Amtssprachen und Minderheitensprachen. In Deutschland ist diese
europaweit rechtsverbindliche Sprachenschutzkonvention seit 1999 in Kraft. Unter
dem Schutz dieses Rechtstextes sollte sich die Lage des Niederdeutschen in
Niedersachsen eigentlich verbessern, doch das Gegenteil ist der
Fall.
Als
Vertreter der Niederdeutschen Sprechergemeinschaft in Niedersachsen wurden
Mitglieder der Fachgruppe Niederdeutsch und Saterfriesisch im Niedersächsischen
Heimatbund befragt. So vertraten Cornelia Nath (Ostfriesische Landschaft), Dr.
Jutta Engbers, Jürgen Hennings und Heinrich Siefer (Oldenburgische Landschaft)
sowie Hans-Hinrich Kahrs (Stader Landschaft) den sprachlich noch sehr regen
küstennahen Raum. Für das ostfälische Gebiet, wo das Plattdeutsche schon fast
ausgestorben ist, sprach Prof. Dr. Dieter Stellmacher, der langjährige Inhaber
des ehemaligen Lehrstuhls für Niederdeutsch an der Universität Göttingen, der
2005 geschlossen wurde.
Die
Lage im Bildungsbereich und an den Universitäten bereitete den
Plattdeutsch-Vertretern am meisten Sorgen. Zwar will das Land Niedersachsen an
der Universität Oldenburg wieder Möglichkeiten für das Studium des
Niederdeutschen eröffnen, doch schon jetzt ist klar, dass dabei im Vergleich zu
dem, was in Göttingen eingestellt wurde, abgespeckt werden
wird.
Geradezu
desolat ist der Zustand an den Schulen: keine Verbindlichkeit, kein
Sprachenlernkonzept, keine neuen Konzepte für die Lehrerausbildung und
-fortbildung, kein Unterstützungssystem für die Lehrkräfte in den Schulen. Die
Devise der Landesregierung ist, dass Plattdeutsch in der Schule keine Kosten
verursachen darf.
Zahlen,
die im Rahmen einer Diplomarbeit in Ostfriesland erhoben wurden, zeigen, dass
auch in den Bereichen vorschulische Bildung, Justizbehörden und Verwaltung vom
Land aus wenig für die Umsetzung der Sprachencharta getan wird. Den meisten
Menschen, die die Regelungen aus der Charta in ihrem Arbeitsalltag umsetzen
sollten, ist nicht einmal bekannt, dass es diesen Rechtstext überhaupt gibt. Und
wer es weiß, hat davon zu über 80 % nicht durch die Landesregierung oder ihr
unterstellte Stellen erfahren.
Im
Anschluss an die Anhörung der Sprechergemeinschaft stand eine Befragung von
Mitarbeitern der Staatskanzlei und der Ministerien auf dem Programm des
Europarat-Expertengremiums, die ebenfalls in den Räumen des Heimatbundes
stattfand.
Die
Gesamtnote ungenügend ist nicht nur der jetzigen Landesregierung zuzuschreiben.
Unter der vorhergehenden Regierung war ebenfalls kein entschlossenes Handeln,
wie es die Sprachencharta verlangt, erkennbar. Einer der Experten sprach denn
auch von einer „fraktionsübergreifenden Missachtung“ der Rechtsverpflichtung.
Dies wird in dem später nachzulesenden Bericht des Komitees sicherlich zum
Ausdruck kommen.
(Cornelia Nath - Ostfriesische Landschaft, Plattdütskbüro - www.ostfriesischelandschaft.de)
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