Auf der Rückkehr in den
Alltag – das Abenteuer Plattdeutsch
Der diesjährige Plattdüütskmaant ist Teil des Themenjahres „Abenteuer
Wirklichkeit“
Ostfriesland. Inka Rümenapf hätte nie
gedacht, dass Plattdeutsch so spannend sein kann: Als die Auricher Buchhändlerin
der Buchhandlung „Am Wall“ neulich von Kunden auf Plattdeutsch angesprochen
wurde, entschied sie sich spontan, ebenfalls auf Platt zu antworten. Das
Besondere dran: Sie hatte zuvor noch nie ein Wort Platt gesprochen, auch wenn
sie es gut verstehen konnte. Ihre Antwort war noch etwas holprig und unsicher,
aber die kleine Geste kam gut an: Die Kunden halfen ihr begeistert bei Lücken im
Sprachschatz aus und bestärkten sie, weiterhin Platt zu sprechen. „Ich habe mir
gesagt, gib dir einen Ruck und zieh das durch“, so die Buchhändlerin.
Und damit ist sie kein Einzelfall.
Immer mehr entsteht in Ostfriesland und unter Ostfriesen das Bewusstsein, dass
sie mit ihrer Sprache etwas Einzigartiges haben. Einen Schatz, den sie bisher
eher stiefmütterlich behandelt haben und nun allmählich stolz hervorholen. So
etwa als Ortsschild: Im Landkreis Aurich sind schon vielerorts zweisprachige
Ortsschilder aufgestellt worden, selbst auf den ostfriesischen Inseln steht
neben „Norderney“ nun auch „Nörderneei“. Und ständig kommen neue Kommunen dazu.
Auch die Gemeinde Friedeburg im Landkreis Wittmund wird demnächst zweisprachige
Ortsschilder auf Hochdeutsch und Plattdeutsch
aufstellen.
Aber nicht nur die Kommunen besinnen
sich auf das Plattdeutsche, auch die Wirtschaft macht mit: Auf Anregung durch
das Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft und der Handwerkskammer für
Ostfriesland sind im September in den 40 Filialen der Lorenz Bäckerei Victorbur
die Auslagen auf Platt beschriftet. So können nun „Krinthstuut“ und „Körvbrood“
bestellt werden – natürlich auf Plattdeutsch.
Die Rückkehr des Plattdeutschen in den
Alltag – das ist nicht nur für die Ostfriesen ein wichtiger Prozess, gerade für
Touristen ist die fremde Sprache ein Abenteuer, das neugierig macht. „Das
Plattdeutsche ist authentisch und regionaltypisch, genau das, was
Tourismusexperten immer wieder als Marketingstrategie fordern. Zeigt Eure Region
so authentisch wie möglich“, begrüßt auch Katrin Rodrian, Leiterin der
Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft, die zunehmende Begeisterung für die
plattdeutsche Sprache. Der Plattdüütskmaant – in Ostfriesland der Monat
September – ist so auch Partner des kulturtouristischen Themenjahres „Abenteuer
Wirklichkeit“. Die Sprache sei für außenstehende ein Geheimnis, dass es erst zu
entdecken gilt. Touristen suchten das Originäre, das Urtypische einer Region, so
Rodrian. Und gerade das fänden sie im Plattdeutschen, das hier in Ostfriesland
zur Lebenswirklichkeit gehöre. Ob es nun auf dem Wochenmarkt in Emden oder im
Hafen von Greetsiel sei. Für Touristen sei es faszinierend, wie Einheimische
miteinander kommunizieren, wie sie aber auch unvermittelt ins Hochdeutsche
wechseln können, wenn sie nicht mit einem Plattsprecher „proten“. Gerade in der
Sprache zeigt sich der typisch ostfriesische Pragmatismus, das Bodenständige,
das Naturverbundene und eine tolerante Gelassenheit: „‘n bietje scheev hett Gott
leev“. Für Touristen gehört dieser Sprachklang zu Ostfriesland wie das weite
Land und der Deich.
Aber dieses Verständnis kommt nicht von
selbst. Die Ostfriesen müssen den Stolz auf ihre Sprache teilweise neu erlernen.
„Früher war es als Tabusprache verpönt, aber die Hemmschwellen verschwinden. Es
entwickelt sich immer mehr zu einer begehrten Kultsprache, die Spaß macht“,
beschreibt
Das wird auch von der Europäischen
Union gefördert. Plattdeutsch ist laut der europäischen Charta der Regional-
oder Minderheitensprachen die einzige anerkannte Regionalsprache in Deutschland.
Alle Teilnehmerländer dieser Charta verpflichten sich, diese Sprache zu schützen
und zu fördern. Ganz konkret heißt das, dass auch im Alltag das Plattdeutsche
nicht benachteiligt werden darf. Vor Gericht oder bei den Behörden können auch
Plattsprecher in ihrer Sprache ihre Anliegen vortragen. Und in der Schule oder
bei der Arbeit wird Platt gerne gesehen und gefördert. Auch wenn es noch nicht
ganz perfekt läuft mit dem Platt sprechen. So wie bei Inka Rümenapf, die sich
fest vorgenommen hat, zukünftig Kunden auch auf Platt zu bedienen. Sie traut
sich zwar noch nicht zu, eine ganze Buchempfehlung auf Plattdeutsch zu geben,
aber das kann ja noch kommen.
Weitere Informationen zu Abenteuer Wirklichkeit und zum Plattdüütskmaant unter www.ostfriesland.de und www.ostfriesischelandschaft.de
(Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft)
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