16.09.2010 - (10100) Plattdüütskmaant als Teil des Themenjahres "Abenteuer Wirklichkeit"
 
              PLATTNET-Nachrichten - 16.09.2010 

 

 

 

       

 

 

Auf der Rückkehr in den Alltag – das Abenteuer Plattdeutsch

Der diesjährige Plattdüütskmaant ist Teil des Themenjahres „Abenteuer Wirklichkeit“

 

Ostfriesland. Inka Rümenapf hätte nie gedacht, dass Plattdeutsch so spannend sein kann: Als die Auricher Buchhändlerin der Buchhandlung „Am Wall“ neulich von Kunden auf Plattdeutsch angesprochen wurde, entschied sie sich spontan, ebenfalls auf Platt zu antworten. Das Besondere dran: Sie hatte zuvor noch nie ein Wort Platt gesprochen, auch wenn sie es gut verstehen konnte. Ihre Antwort war noch etwas holprig und unsicher, aber die kleine Geste kam gut an: Die Kunden halfen ihr begeistert bei Lücken im Sprachschatz aus und bestärkten sie, weiterhin Platt zu sprechen. „Ich habe mir gesagt, gib dir einen Ruck und zieh das durch“, so die Buchhändlerin.

Und damit ist sie kein Einzelfall. Immer mehr entsteht in Ostfriesland und unter Ostfriesen das Bewusstsein, dass sie mit ihrer Sprache etwas Einzigartiges haben. Einen Schatz, den sie bisher eher stiefmütterlich behandelt haben und nun allmählich stolz hervorholen. So etwa als Ortsschild: Im Landkreis Aurich sind schon vielerorts zweisprachige Ortsschilder aufgestellt worden, selbst auf den ostfriesischen Inseln steht neben „Norderney“ nun auch „Nörderneei“. Und ständig kommen neue Kommunen dazu. Auch die Gemeinde Friedeburg im Landkreis Wittmund wird demnächst zweisprachige Ortsschilder auf Hochdeutsch und Plattdeutsch aufstellen.

Aber nicht nur die Kommunen besinnen sich auf das Plattdeutsche, auch die Wirtschaft macht mit: Auf Anregung durch das Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft und der Handwerkskammer für Ostfriesland sind im September in den 40 Filialen der Lorenz Bäckerei Victorbur die Auslagen auf Platt beschriftet. So können nun „Krinthstuut“ und „Körvbrood“ bestellt werden – natürlich auf Plattdeutsch.

Die Rückkehr des Plattdeutschen in den Alltag – das ist nicht nur für die Ostfriesen ein wichtiger Prozess, gerade für Touristen ist die fremde Sprache ein Abenteuer, das neugierig macht. „Das Plattdeutsche ist authentisch und regionaltypisch, genau das, was Tourismusexperten immer wieder als Marketingstrategie fordern. Zeigt Eure Region so authentisch wie möglich“, begrüßt auch Katrin Rodrian, Leiterin der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft, die zunehmende Begeisterung für die plattdeutsche Sprache. Der Plattdüütskmaant – in Ostfriesland der Monat September – ist so auch Partner des kulturtouristischen Themenjahres „Abenteuer Wirklichkeit“. Die Sprache sei für außenstehende ein Geheimnis, dass es erst zu entdecken gilt. Touristen suchten das Originäre, das Urtypische einer Region, so Rodrian. Und gerade das fänden sie im Plattdeutschen, das hier in Ostfriesland zur Lebenswirklichkeit gehöre. Ob es nun auf dem Wochenmarkt in Emden oder im Hafen von Greetsiel sei. Für Touristen sei es faszinierend, wie Einheimische miteinander kommunizieren, wie sie aber auch unvermittelt ins Hochdeutsche wechseln können, wenn sie nicht mit einem Plattsprecher „proten“. Gerade in der Sprache zeigt sich der typisch ostfriesische Pragmatismus, das Bodenständige, das Naturverbundene und eine tolerante Gelassenheit: „‘n bietje scheev hett Gott leev“. Für Touristen gehört dieser Sprachklang zu Ostfriesland wie das weite Land und der Deich.

Aber dieses Verständnis kommt nicht von selbst. Die Ostfriesen müssen den Stolz auf ihre Sprache teilweise neu erlernen. „Früher war es als Tabusprache verpönt, aber die Hemmschwellen verschwinden. Es entwickelt sich immer mehr zu einer begehrten Kultsprache, die Spaß macht“, beschreibt Cornelia Nath aus dem Plattdüütskbüro die positive Entwicklung. „Platt ist cool“ ist die Devise.

Das wird auch von der Europäischen Union gefördert. Plattdeutsch ist laut der europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen die einzige anerkannte Regionalsprache in Deutschland. Alle Teilnehmerländer dieser Charta verpflichten sich, diese Sprache zu schützen und zu fördern. Ganz konkret heißt das, dass auch im Alltag das Plattdeutsche nicht benachteiligt werden darf. Vor Gericht oder bei den Behörden können auch Plattsprecher in ihrer Sprache ihre Anliegen vortragen. Und in der Schule oder bei der Arbeit wird Platt gerne gesehen und gefördert. Auch wenn es noch nicht ganz perfekt läuft mit dem Platt sprechen. So wie bei Inka Rümenapf, die sich fest vorgenommen hat, zukünftig Kunden auch auf Platt zu bedienen. Sie traut sich zwar noch nicht zu, eine ganze Buchempfehlung auf Plattdeutsch zu geben, aber das kann ja noch kommen.

 

Weitere Informationen zu Abenteuer Wirklichkeit und zum Plattdüütskmaant unter www.ostfriesland.de und www.ostfriesischelandschaft.de 

 

(Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft)

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