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Booktipp
„Na,
Lütten?“
Briefe aus dem Konzentrationslager und Zuchthaus
1933-1937
von Heinrich
Buchholz
Heinrich Buchholz (1895-1953) stammte
aus einer Bremer Arbeiterfamilie und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf.
Während seiner Tischlerlehre trat er zunächst der SPD-Jugendorganisation bei und
wurde 1920 KPD-Mitglied. Er engagierte sich aktiv in verschiedenen
kommunistischen Gruppierungen, unter anderem bei der Theatergruppe „Die Blauen
Blusen“. Dadurch geriet er früh ins Fadenkreuz der Bremer Nazis. So wurde er
bereits 1933 erstmals verhaftet und verbrachte mehrere Monate im Bremer KZ
Mißler. Wegen seines anhaltenden Widerstands wurde er 1934 erneut verhaftet und
zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Kriegsjahre überstand
er trotz anhaltender Widerstandsarbeit und kurzzeitiger Inhaftierungen
unversehrt. Sein unermüdliches Engagement für die kommunistische Partei und ihre
verschiedenen Aktivitäten im Bremer Raum bereiteten ihm aber auch nach
Kriegsende erhebliche Schwierigkeiten. Dabei war er besonders im sozialen
Einsatz für die Belange der mittellosen Arbeiterschaft aktiv. 1953 ist er bei
Renovierungsarbeiten des Schullandheims „Verdener Brunnen“ durch einen
tragischen Unfall ums Leben gekommen.
Während seiner Inhaftierungen (1933 -
1937) hat Heinrich Buchholz in rührender Weise Briefe an seine Frau und an die
gemeinsame kleine Tochter geschrieben. Da er Talent zum Zeichnen hatte, sind
diese häufig mit heiteren Bildern und Karikaturen illustriert. Die Briefe
dokumentieren eindrucksvoll seinen Durchhaltewillen und die Hoffnung auf ein
gemeinsames glückliches Familienleben. Wissend um die Zensur der Bewacher
verschleiert der Briefeschreiber mögliche Drangsalierungen, denen er ausgesetzt
ist.
Heinrich Buchholz hat seine Briefe aus
der Haft zweisprachig verfasst: An seine Frau schreibt er zumeist plattdeutsch:
„Na, Lütten?“ Dabei bemüht er sich, besonders heiter und gelöst zu wirken, fügt
die eine und andere lustige Bemerkung ein und erinnert an frohe gemeinsame
Erlebnisse. Es ist zu spüren, dass er damit auf Briefe und Besuche ihrerseits
reagiert, die eher betrübt und resignativ ausgefallen sein dürften. Hochdeutsch
schreibt er ihr, wenn auch ihm nicht der Sinn nach Heiterem steht und z.B. eine
ernste Gerichtsentscheidung bevorsteht.
Seine Tochter Lore ist zu dieser Zeit
ein kleines Kind. Er schickt ihr einfache, meist heitere Zeichnungen, fragt nach
ihren Erlebnissen und fordert sie auf, ihm zu schreiben. Die Antworten sind
zunächst ungelenke, noch fehlerhaft formulierte kurze Mitteilungen. Zunehmend
beherrscht das Kind das richtige Schreiben, und schließlich fordert es den Vater
auf, auch ihm plattdeutsch zu schreiben. „Also an Di schall ick ok plattdüütsch
schrieben. Tschä, segg mol, versteihst Du denn platt? Na, denn man
to...“
Besonders die Haftstrafe von 1934 bis
1937 stellt eine große Belastung für Heinrich Buchholz und seine Familie dar.
Die Briefe, die nur in großen Abständen und streng reglementiert verfasst werden
durften, spiegeln das wider. Für ausführliche Berichte, Fragen und Gedanken des
Inhaftierten war auf den Briefformularen des Zuchthauses kein Platz. Zudem unterlagen die Schreiben strenger Zensur. Dennoch kann er seine
wesentlichen Empfindungen mitteilen.
Die erhaltenen Briefdokumente zwischen
dem Inhaftierten und seiner Familie hat Lore Buchholz, die Tochter von Heinrich
Buchholz, verwahrt und nun mit Hilfe von Helmut Donat als Buch herausgegeben.
Ausführliche Text- und Bilddokumentationen illustrieren den geschichtlichen
Hintergrund dieser Familienhistorie. Das Geleitwort schrieb Heinrich Hannover,
der als Anwalt nach dem 2. Weltkrieg zahlreiche Kommunisten im
antikommunistischen Meinungsklima der frühen Bundesrepublik verteidigt
hat.
Die Briefe sind z.T. fotografisch
dokumentiert, ihre Texte hoch- und niederdeutsch wiedergegeben, wobei die
niederdeutschen Texten auch ins Hochdeutsche übersetzt wurden. Das Buch ist auf
bestem Papier gedruckt, konventionell gebunden und mit Hardcover
versehen.
„Na, Lütten?“ ist ein eindrucksvolles
Dokument aus der dunklen deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, das
mitfühlen lässt mit dem Schicksal einer betroffenen Familie. Dass Heinrich Buchholz seine Briefe zum Teil
plattdeutsch verfasst hat, unterstreicht die Authentizität dieses
Zeitzeugnisses.
Heinrich
Buchholz
„Na, Lütten?“
Briefe aus dem Konzentrationslager und
Zuchthaus 1933-1937
Mit einem Geleitwort von Heinrich
Hannover
Herausgegeben von Lore Buchholz unter
Mitwirkung von Helmut Donat
Ausgabe in Nieder- und
Hochdeutsch
Donat Verlag Bremen
2011
geb., Hardcover, 192 S., 116
Abb.
ISBN
978-3-938275-65-8
16,80 Euro
(Volker Holm -
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